Ein Macht- und Methoden-Streit um die Philosophie
Ein Macht- und Methoden-Streit um die Philosophie: Der Plagiatsvorwurf gegen I.H. Fichte
Immanuel Hermann Fichte (1796–1879) reichte im Jahr 1817 sein Promotionsgesuch an der neugegründeten Berliner Universität ein. Drei Jahre zuvor war sein Vater unerwartet verstorben, woraufhin Immanuel Hermann Fichte von der Klassischen Philologie in das Fach Philosophie gewechselt hatte. Die Promotionsschrift, welche die Grundlage für das Examen bildete, handelt »Über die Aufgabe der Philosophie und die Bedingungen ihrer Lösung«. Der Mineraloge Christian Samuel Weiß, neben dem Fichte-Senior von 1810 bis zu seinem Tod 1814 in Berlin gelehrt hatte, lobte die Schrift wegen ihrer »wahre[n] Meisterschaft in der metaphysischen Spekulation!« In der Überzeugung, dass es »die Arbeit eines […] in sich gereiften Denkers, aber nicht die Erstlingsarbeit im philosophischen Felde von einem jungen Mann« sei, erhob er den Vorwurf, Fichte-Junior habe ein nachgelassenes Manuskript seines Vaters eingereicht. Der Altphilologe August Böckh ergriff die Partei seines ehemaligen Schülers und setzte alles daran, dessen Autorschaft zu beweisen. Dass eine der ersten Plagiatsaffären an der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin ausgerechnet den Sohn ihres ersten gewählten Rektors Johann Gottlieb Fichte traf, lässt aufhorchen. Doch sind Christian Samuel Weißʼ schwerwiegenden Beschuldigungen überhaupt berechtigt? Wurde Johann Gottlieb Fichte tatsächlich von seinem Sohn plagiiert bzw. sogar bestohlen?