Perspektivität – Die Struktur unserer Erkenntnisvermögen und deren Folgen

Perspektivität – Die Struktur unserer Erkenntnisvermögen und deren Folgen

Tagung Prof. Dr. Christoph Asmuth, Simone Neuber, M.A.

An der Möglichkeit eines „Blicks von nirgendwo“ (Nagel) bestehen berechtigte Zweifel. Schon unsere physiologische Ausstattung ist notorisch unzureichend, für das theatrum mundi ‚jetzt und in Gänze‘. Schließlich erschwert unsere „Geworfenheit“ (Heidegger) die Sache, denn aufgrund ihrer müssen wir nicht nur mit den Widrigkeiten des dreidimensionalen Raumes und seiner Gegenstände kämpfen, sondern selbst beim tapferen Umrunden der Dinge kommen wir aus einem mehr oder minder engen Horizont kaum heraus: Die Sprache legt einen begrenzten Interpretationsrahmen vor, kulturelle Prägungen bestimmten unsere Sichtweise, und der eigene Charakter und das jeweilige Präferenzbündel verleiten uns zu teils absonderlichen Wertungen und Handlungen. Wir scheinen in der Tat nicht nur in einer Perspektive gefangen, sondern in Perspektivität auf multiplen Ebenen.

Philosophisch wird das Thema der Perspektivität jüngst wieder verstärkt diskutiert; diesmal weniger im Rahmen wahrheitsskeptischer Überlegungen, sondern eher der Möglichkeit der Einfühlung und Kenntnis des Bewusstseins anderer, was im Zusammenhang mit den Besonderheiten der erstpersonalen Perspektive bzw. Egozentrik zu sehen ist. Damit haben sich die langsam abebbenden Perspektivitätswellen vornehmlich postmoderner, postkolonialer und auch pragmatischer Theoretiker auf ein neues Feld ausgedehnt, was zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem Problemkomplex einlädt.

Die Tagung des Forschungsnetzwerks Transzendentalphilosophie/Deutscher Idealismus will diesem Desiderat nachkommen, indem sie wesentliche historische und systematische Dimensionen der Perspektivität der Vermögen in den Blick nimmt. Als Etappen der historischen Vertikale bietet sich eine Auseinandersetzung mit Platon und dem Neuplatonismus ebenso an wie jene mit Denkern wie Giordano Bruno und Nikolaus von Kues, Leibniz oder Spinoza. Zentrales Augenmerk soll natürlich auch Kant, Fichte, Schelling und Hegel gelten, in deren Denken sich mehrfache Perspektivierungen finden; es sei nur an etwa die progressiven Perspektiven der Hegelschen Phänomenologie oder Fichtes Weltansichten erinnert. Was die systematischen Momente der epistemischen Perspektivität angeht, ist eine Reflexion auf die darauf fußenden wahrheitstheoretischen Konsequenzen sicherlich ebenso fruchtbar wie auf die fragliche Relevanz weiterer Perspektivitätsgeneratoren wie etwa Begriffsschemata. Auch eine Befragung der damit in Verbindung stehenden Intelligibilitäts- und Denkbarkeitsschranken mag lohnenswert sein, wobei sich die historische Dimension hier durchaus um zeitgenössische Debatten erweitern sollte. Schließlich sind auch Überlegungen mit einzubeziehen, welche die Grundüberlegungen zur Perspektivität in Probleme der Sozial- und Gesellschaftsphilosophie, in ethische Problemkontexte sowie ästhetische Diskussionen transformieren.

Laufzeit: 17.02.2011 - 19.02.2011
Ort: TU Berlin, Hauptgebäude H 2036